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Julia: in der Oberstufenstube

Julia denkt an die Kolossale Jugend

# es muss ende der achtziger, anfang der neunziger gewesen sein...und ich ging noch in die schule.
ein freund von mir hatte sich eine platte gekauft, die "heile, heile boches" hiess, "merkwürdiger titel "dachte ich, "die boches, das sind doch die von franzosen beschimpften deutsche".
dieser titel klang für mich wie eine mischung aus kindervers, abzählreim und überintelektuallisierter, mehr oder weniger paranoider poesie. clara drechsler hatte damals diese jungs interviewt und die spex war zu dieser zeit noch schwarz-weiss, in mir festigte sich dadurch nur vage ein bild der mimik, des gesichtes des sängers, dessen namen kristof schreuf mir in erinnerung geblieben war, christoph ohne ch,lediglich mit einfach k und f hinten. aus hamburg. nun gut. diese stadt kannte ich noch nicht und ausser den "kastrierten philosophen" war mir dort keine relvante band bekannt.

wir sassen also bei meinem schulfreund zu hause. er legte die frisch erworbene platte auf, fragmentarische texte erklammen die rauchgeschwängerte oberstufenstube in dem vorort, in dem wir (fest)saßen. "DENK AN NAMEN, BRENNE LAUT, EINE HALBE STUNDE" oder auch "ICH WILL ZEIT,ICH WILL ZEIT" oder noch besser und in unserem falle zutreffender: "HIER LIEGT DER HUND BEGRABEN!MACH DEN VORHANG AUF" oder zumindest so ähnlich.

kristofs schreufs stimme quälte sich, schleppte sich von stakkato-zeile zu stakkato-zeile, während er diese neuartigen texte rausschrie, es waren mehr befehle als liebkosungen, von einer wahrhaftigkeit, die einen erschrecken liess: "ICH WILL ZEIT, Ich WILL ZEIT":

"DENK AN DIE NAMEN UND BRENNE LAUT; BRENNE BRENN LAUT" hatte ich immer so interpretiert wie es ein paar jahre später jochen formuliert hatte: "deine geschichte in der gegenwart" oder so ähnlich. also man hat nicht viel zeit, um seine spuren zu hinterlassen, man soll an die GROßEN NAMEN denken und sich daran orientieren, man soll laut "abbrennen" dabei, um mit neil young zu sprechen: "it's better to burn out than to fade away."

diese jungs aus hamburg waren keine streber, ihre musik war gleichzeitig konkret und abstrakt, sie berührte ohne dabei peinlich zu sein, auf einem sehr hohen niveau, das erst einmal gar nicht jugendlich wirkte, da so klug und potentiell ingeborg-bachmann-preis-verdächtig, allerdings aufregte, ungeduldig auf- und anregte und uns dadurch völlig fertig machte, unsere oberstufen-hirne und -herzen, da wo der hund begraben war.

danke. #

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