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LADO Classix

Kerstin Grether versteht die Kolossale Jugend

Für das Booklet der Leopard II Wiederveröffentlichung haben Außenstehende ihre Sicht auf die Band beschrieben.
Mit dabei Ted Gaier (Die Goldenen Zitronen), Knarf Rellöm (u.a. Huah!), Carsten Hellberg (Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs), Carol v. Rautenkranz (L'Age d'Or Gründer) und viele andere mehr. Kerstin Grether (Musikjournalistin) versteht die Kolossale Jugend:

#Es gab mal eine Zeit, da ging ich mit der Behauptung hausieren: "Ich versteh' die Texte von Kolossale Jugend. Ich weiß genau, was jede Zeile bedeutet." Das war kurz vor dem Release von "Leopard 2" und mein Leben war ein Puzzle. Ausgerechnet ihr Gitarrist Pascal Fuhlbrügge widersprach mir ein ums andere Mal verzweifelt: "Das kann man doch gar nicht wissen. Das hat so viele Bedeutungsebenen. Und überhaupt, diese Worttrümmer... "Worttrümmer" war natürlich das größte Kompliment, was man damals einem deutschsprachigen Songtext machen konnte. Das sah ich auch so. Bestand aber dennoch weiterhin darauf, das alles ganz genau zu verstehen. Vielleicht war mein Leben auch kein Puzzle, sondern ein Rätsel.

Auf jeden Fall war ich in den Sänger der Kolossalen Jugend verliebt und das machte mein Insistieren auf der richtigen Interpretation, gerade auch aus der Sicht des Gitarristen, nicht gerade glaubwürdig. Denn natürlich tendiert man dann dazu, die Texte zu überinterpretieren und die Musik zu unterschätzen. Heute würde ich sagen, die Wahrheit lag exakt in der Mischung aus beiden Behauptungen: Diese Band spricht einem aus der Seele  gerade weil man nicht alles versteht. Weil man verliebt ist in diese geile surrealistische Sause. Denn das Leben ist eine Baustelle. Und so passiert es dann, dass eine spröd-melodiöse Gitarre mit einem sprachen will. Und ein Bass, der alles zusammenhält. "Bruch in allem pausenlos." Bis Text und Musik eine ganz neue, nicht gerade Welt - aber sagen wir mal - Welt-Sicht, oder ein neues Erleben von Fragmentarischem geschaffen haben.

Denn als die Kolossale Jugend anfing, 1988, war es noch ein weiter Weg bis die "Hamburger Schule" (auch wenn sie sich so nicht nennen will) Teil einer Jugendbewegung sein wollte und wurde. Das Tolle an der Kolossalen Jugend war das Gefühl: Du kannst Dich selbst neu erfinden und keiner kann Dir erzählen, dass irgendwas mit Dir nicht stimmt. Und das fernab von allem, was man damals konnte. Fernab von abgefrühstückten NDW-Lyrismen, englischsprachigen Kopisten-Rockisten und einem post-hippiesken Gefälligkeits-Overground. Also in anderen Worten, die Kolossale Jugend kam und haute alles beiseite, was nicht mehr nötig war. So fühlte sich das damals an, als ich behauptete, zu wissen, wovon das alles handelt. In der Hoffnung das Puzzle neu und anders zusammenzusetzen. #

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